[HOMO SAPIENS AMBIENT]
zurück zur Startseite

Der Klappstuhl (Mai 2003)

Ich fahre gerne abends bei schönem Wetter an den Rhein, um dort den Sonnenuntergang zu genießen. Leider bekomme ich dort nicht immer eine Bank ab und nicht jede Bank steht ideal (und auch nicht jede Bank ist das, was ich gemütlich nennen würde). Wenn mal wieder nichts frei ist, setze ich mich eben an den Kiesstrand oder auf einen Basaltblock mit denen das Ufer gesichert wird. Aber nach kurzer Zeit tut mir meist der Arsch weh und/oder ich will mich irgendwo anlehnen (selbst wenn es diese Möglichkeit gibt, ist sie nicht befriedigend). Über diesen Umstand habe ich mich schon öfter geärgert! Vorige Woche kam ich dann auf die gloreiche Idee, mir einen kleinen Klappstuhl mit Rückenlehne zu besorgen, wie ihn die Angler haben (da hätte ich schon längst drauf kommen können). Nunja, gesagt getan! Konnte ich dann sogar an die Packtasche meines Fahrrads befestigen.

Dann endlich einer der ersten schönen Tage im Mai. Die Blätter haben dieses frische Grün der ersten Maiwochen, die Luft ist wieder lau, so das man im T-Shirt fahrradfahren kann. Da geht einem das Herz auf! Genau richtig, um sich abens in aller Ruhe was an den Rhein zu setzen.

Ich sitze also an dem Platz wo ich früher meine 1.Mai-Feuer machte, unter den Pappeln die sich über mir wölben, auf meinem neuen Klappstuhl! Keine Probleme mit dem harten Boden, man kann sich gemütlich zurücklehnen. Eigentlich fast wie zuhause, nur die Tapete ist anders. Urgemütlich!!! Genau die richtigen Bedingungen um seinen Kopf ein wenig zu manipulieren.

Ich rauche einen und betrachte das frische Laub an den Bäumen. Manigfaltige Grüntöne. Die untergehende Sonne schickt ein Puzzlespiel von orangenen Flecken durch die Blätter vor mir auf den Sand. Plötzlich fällt mir auf, das die Bäume wie mit Pinselstrichen gemalt sind. Die Blätter an dem Baum da vorne sind wie mit einem trockenen Pinsel getupft, der Stamm mit groben Strichen gezogen. Die anderen Stämme um mich herum sehen krumm und abstrakt aus. Komisch, die Wipfel da hinten sehen alle wie Gesichter aus. Ich betrachte sie lange. Es ist windstill. Ich kommme mir vor, wie in einer Studiokulisse. Mir fällt auf, das ich laut mit mir selber rede. Erschrocken drehe ich mich um und versichere mich, das ich nicht beobachtet werde.

Immer wieder kehrt meine Aufmerksamkeit auf die Stimme eines Vogels zurück, der irgendwo über mir im Baum sitzt und die ganze Zeit seine Freude über den Tag in den Abend hinein singt. Mittlerweile kommt es mir eher vor, als würde er mir seine Lebensgeschichte erzählen. Tatsächlich hört es sich mittlerweile eher wie sprechen als wie singen an. Sonst hört man wenig, mal ein lachen vom anderen Rheinufer, machmal einen dunkel tuckernden Schiffsdiesel vorüberziehen. Es wird langsam dunkel (die Sonne ist schon "lange" knallorange untergegangen) und kühler (ich ziehe mir meine Jacke an)...

Ich beschließe, mich unter offenen Himmel an den Strand an das Wasser zu setzen. Wow! Flash! Staunen! Über mir ein riesiger Himmel, oben ein schon dunkles, zum Sonnenuntergang hin heller werdenes superblau (ohne jeden Graustich, der hier in der Kölner Bucht üblich ist), dann am Horizont in ein klares Gelb übergehend, welches wiederum in ein dunkles orange übergeht. Ganz am Horizont ein paar schwarzgraue Wolkenstreifen. Im Dunkelblau über mir prangt ein heller, gestochen scharfer türkischer Mond! Direkt vor mir die dunkle große graue Wasserfläche leicht gekräuselt. Unendliche Weiten! Irgendwelche fliegenden Tierchen tanzen vor mir im letzten Licht! Nach einer Weile schiebt sich unendlich langsam ein Titan unter den Rheingiganten wie an einer Schnur gezogen friedlich und doch ehrfurchtgebietend, dunkel grollend, rheinaufwärts in mein Blickfeld (schwer beladener Doppelschubverband). Wellenrauschen! Nach einer Weile ist wieder Ruhe! Fünf Schwäne ziehen an mir vorbei (jetzt wird es langsam schnulzig, denke ich mir). Die Schwäne fangen dann auch noch an ein Ballet vor mir zu inzenieren, schwimmen hin und her und ab und zu drehen sich alle gleichzeitig zu mir um (ich glaube zu träumen und zwicke mich). Irgendwann kapiere ich dann, das hier wohl irgendwo ihr Schlafplatz ist und sie darauf warten, das der Depp da endlich abhaut. Ich packe meine Sachen.

Schwanenballett

Es ist schon fast dunkel, nur ein Streifen etwas hellerer Himmel ist noch am Horizont zu sehen. Ich fahre auf dem Leinpfad lang, links der Rhein, auf der anderen Seite dunkle Auenwälder. Ich mag das Licht nicht anschalten und schaue angestrengt auf den Weg während ich in Gedanken noch am Strand bin. Plötzlich wird mein Blick nach oben gezogen. Eine superfette Schwarzpappel steht majestätisch neben dem Weg und scheint mir mit ihren Ästen den Weg zu versperren. Ich bremse abrupt und gaffe eine ganze Weile nach oben. Dann sage ich laut: "Hallo!". Ich breche lachend mit meinem Fahrrad zusammen.

Wieder meinen Weg fortsetzend, schwebe ich in 2 Metern Höhe lautlos über den Erdboden (ich habe ein gutes Fahrrad B). Ein erhabenes Gefühl! Warme Luftströmungen wechseln sich mit kälteren aus dem Auenwald ab. Vorbei an blühenden Sträuchern, die ich hauptsächlich am Geruch wahrnehme. In der Groov (alter Rheinarm) spiegelt sich die beleuchtete uralte romanische Pfarrkirche, als ich an Zündorf vorbei fahre. Auf der Allee schwebt ein ganzes Spalier an hohen Bäumen an mir vorbei. Ich meine auf der Stelle zu stehen und die Kulisse an mir vorbei zukurbeln! Irgendwann bin ich zu Hause...

Meine Kanne, was für ein Trip!!! Und dabei habe ich nur nach 4 Wochen mal wieder was geraucht (war aber auch was Feines B)...

zurück zur Startseite