[HOMO SAPIENS AMBIENT]
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Meister Kahlkopf
genauer: Spitzkegeliger Kahlkopf (Psilocybe semilanceata)

Meine erste halluzinogene Substanz war ein mexikanischer Pilz (psilocybe cubensis) am 1. Mai 1977. Danach machte ich die meisten psychodelischen Erfahrungen mit LSD. Aber irgendwie wurde mir LSD mit der Zeit suspekt, da die verschiedenen Chargen - ausserhalb von Set und Setting - doch immer etwas anders wirkten. Anfang der achtziger Jahre bekam ich dann von Bekannten öfter mal die einheimischen Kahlköpfe (psilocybe semilanceata) geschenkt. Die waren in der Wirkung sehr nach meinem Geschmack! Viel erdiger und bodenständiger als LSD und auch freundlicher als die mexikanischen cubensis. Nachdem ich jahrelang im Herbst alle möglichen kleinen braunen Pilze auf den Wiesen probiert hatte (ich rate ab), zeigte mir ein Freund 1986 die Kahlköpfe einmal in freier Natur, als er mich auf "seine" Wiese mitnahm und mich in die Kunst des suchen´s und sammeln´s einwies. 1987 nahm ich meinen letzten Acid.

[DER FUND DES JAHRES]

Heute sind die Kahlköpfe nicht nur noch immer meine Lehrmeister, sondern fast schon sowas wie meine Freunde. Natürlich bin ich auch weiterhin respektvoll und vorsichtig mit den Jungs, denn sie sind mächtige Gesellen, die dir manche Lehre ganz schön um die Ohren knallen können. Ich nehme sie zu den verschiedensten Anlässen. Mal als innere Reisen (heftig), oder als Naturtrips (fantastisch), aber auch auf gewissen psychedelischen Partys (Psy-Trance), am 1.Mai-Feuer (urtümlich) oder in geselliger Runde mit meinen Freunden zu Hause (gemütlich bis spaßig).

Ich finde es schön, das diese Wesen bei mir vor der Türe wachsen und weder von sonstwo importiert werden, noch in irgendwelchen sterilen künstlichen Brutstätten ihr Licht erblickten. Sie wachsen auf vielen Pferde- Schaf- und Kuhwiesen in großen Teilen Europas von England bis Italien, so auch in Deutschland. Sie schiessen zwischen September und November, aber haupsächlich im Oktober, wenn es ein paar Tage geregnet hat und die Temperatur weniger als 12 Grad beträgt. Wenn dann ein trockener etwas windiger Tag ist, wechselt die Farbe von der Tarnfarbe braun-oliv zu hellem beach-cremefarben, so das sie plötzlich gut zu sehen sind (sogar im Mondlicht). Ich lasse seit einiger Zeit, den größten Pilz mit seiner um ihn versammelten Familie auf der Wiese stehen (die müßen sich ja auch vermehren) und opfere ihnen eine Kleinigkeit (einen kleinen Brösel, Tabak tut´s auch).

Ich breite sie dann in einem trockenen Raum auf Zeitungspapier aus (oder auf einem Obsttrockner) ohne das sich die Pilze untereinander berühren. Nach ein bis zwei Tagen sind sie trocken. Um sie haltbar zu machen und um eventuelle Fuchsbandwurmeier abzutöten, behandele ich sie zusätzlich noch eine halbe Stunde mit einer Temperatur von etwa 70 Grad (Backofen, Obsttrockner). Danach verpacke ich sie knochentrocken möglichst luftdicht und lege sie ins Tiefkühlfach, wo sie jahrelang gebrauchsfähig bleiben. Ich bevorzuge sogar etwa zwei Jahre abgelagerte Kahlköpfe, da es mir (und auch einigen anderen) scheint, das sie dann intensiver und "farbiger" wirken (kann ich mir chemisch allerdings nicht erklären).

Sehr praktisch ist es, das die Kahlköpfe immer etwa den selben Wirkstoffgehalt haben. Die "normale" Dosis Psilocybin zur "Erzeugung eines typischen Rauschzustandes mit der aus der Literatur hinlänglich bekannten halluzinatorischen Wirkung" (Zauberpilze, Der grüne Zweig 155) beträgt etwa 0.17mg/kg Körpergewicht (enspricht etwa 10mg Psilocybin bei einem 60kg schweren Menschen = etwa 1 Gramm getrocknete Kahlköpfe). Man kann die Wirkung also durch abwiegen einigermaßen berechnen (z.B. im Gegensatz zu cubensis, wo die einzelnen Stämme erheblichen Wirkstoffschwankungen unterliegen). Allerdings sollte man bedenken, das die Wirkung auf leerem Magen bis zu 5 (ja, fünf) Mal stärker sein kann, als auf Vollem! Ich esse also immer möglichst dasselbe etwa 2 Stunden vorher (leichte Kost). Vom abzählen rate ich ab, die landläufige Meinung man brauche etwa 20-25 Pilze pro Trip, kann ganz schön in die Hose gehen, je nach Größe der Pilze. Den "Standardpilz" gibt´s nicht!

Die Wirkung unterscheidet sich von den meisten handelsüblichen psilocybinhaltigen Pilzen dadurch, das die Kahlköpfe neben etwa 10mg Psilocybin pro Gramm Trockenmasse auch noch etwa 3mg Baeocystin enthalten. Baeocystin ist ebenfalls ein Trytamin und sorgt für die "freundschaftlichere" Atmosphäre der Wirkung, die subjektiv sogar eine etwas entfernt extasymäßige Wirkung aufweist. Nach der Einnahme dauert es zwischen 20 Minuten und einer Stunde bis die erste Wirkung einsetzt (abhängig von Mageninhalt und Körperbewegung). Die darauffolgende halbe bis dreiviertel Stunde empfinde ich als eher unangenehm, da der Körper schon "drauf" ist, der Geist aber irgendwie hinter herhinkt. Ich nenne diese Phase etwas theatralisch "Der Kampf vor dem Tor". Danach kommt dann die Belohnung, eine etwa vierstündige - je nach der eingenommenen Menge - mehr oder weniger psychodelische, aber in den meisten Fällen wunderschöne Zeit, die man fast ausschließlich im "Hier und Jetzt" verbringt.

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