Fahrradpilz (Oktober 1996)
Heute habe ich mir gegen 13:00 Uhr etwas Zauberpulver (0,8g
semilanceata) gegeben und bin mit einem Freund in den herbstlichen
Königsforst gefahren, einem kleinen Waldgebiet östlich von
Köln (Rest eines einst mächtigen Waldes aus
fränkischem Königsbesitz).
Wie bei jedem Fahrradpilz, kam der Pilz sehr schnell (innerhalb
von 20 Minuten, liegt wohl an der Bewegung). Kurz vor dem rettenden
Blätterwald wieder an der Ampel bei der A3-Ausfahrt
"Königsforst" gestanden und gebetet das es doch jetzt
bitte ganz schnell grün wird (ihr kennt bestimmt auch diese
planlose, etwas streßige Phase zu Anfang des Pilzes, in der man
zwar schon körperlich drauf ist, aber geistig noch nicht so
ganz). Man steht dort auf einer kleinen Insel und um einen herum tobt
das Blechgewitter [brumm, quietsch, tröt, roar]. Der blanke
Horror!!! Aber die anderen Strecken von mir zum Königsforst
haben noch mehr Nachteile...
Endlich im Wald! Der Pilz kommt jetzt mit Macht. Wir radeln
langsam und ehrfürchtig durch den herbstlichen Wald. Die bunten
Blätter und Sonnenflecke auf dem Boden, der tiefblaue Himmel und
das grelle grün, gelb und rot der Bäume, die langsam an uns
vorbeischweben, läßt uns vor staunen den Mund offen
stehen.
Mittlerweile haben wir den Rennweg erreicht. Höher hinauf
trifft man nur noch selten Fußgänger (zu weit von den
Parkplätzen und Ansiedlungen entfernt). Der Pilz ist jetzt so
stark, das wir uns in die Büsche schlagen. Zack, den
nächsten kleinen Waldweg rein bis zu einer kleinen Schonung, die
Fahräder an den nächsten Baum gelehnt und ein trockenes und
genehmes Plätzchen zum hinsetzen gesucht.
Ah, wunderschön! Vor mir kurzes saftig grünes Gras,
dahinter lange hellbraune Grashalme, die sich im Gegenlicht leicht im
Wind hin und herwiegen. Rund um mich herum, kleine Sonnenflecke die
auf dem Boden tanzen. Aus dem etwas dunklen, überwachsenen Weg,
an dessen Rande ich sitze, schaue ich auf die lichtüberflutete
Lichtung am Ende des Weges, die mir wie ein goldenes Tor
entgegenleuchtet. Ich versinke in Gedanken und gebe mich den Wirren
meines Geistes hin. B)
Plötzlich vielstimmiges Gänsegeschrei. Ich blicke auf,
durch die Baume sehen wir die pfeilförmigen Ketten, die von
Norden kommen, und jetzt über uns an zu kreisen fangen. Warten
wohl auf Nachzügler. Nach zwei Kreisen zogen sie in Formationen
Richtung Südwesten weiter.
Wir sind inzwischen auf die Lichtung gegangen um die Gänse
besser beobachten zu können und sind erschlagen von diesem
Himmel. Chaotische Eiswolkenformationen und/oder vom Wind verissenen
Kondensstreifen von Fliegern durchzogen das tiefe Blau. Und dort
sahen wir eine "zweite Sonne" (potztausend, das hatte ich
noch nicht gesehen)! Sie leuchtete in einer bizarren Eiswolke zwei
handbreit rechts von der Sonne in allen Regenbogenfarben (am Himmel
war diesmal ganz schön was los, meine Kanne).
Nachdem ich wieder etwas klarer war und ein wenig über die
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in den 30 Jahren und die
Flakstellungen im Königsforst, sowie das nötige
Entwässerungskanalnetz, ohne das man an manchen Stellen im
Königsforst einfach keine Bunker hätte bauen können,
dozierte (an einem dieser Kanäle saßen wir gerade),
beschloßen wir wieder ein wenig zu fahren (es waren etwa
eineinhalb Stunden vergangen).
Oh, huch, das war ja wieder etwas ganz anderes. Die Kulisse
bewegte sich wieder. Ohne besondere Anstrengung schoßen wir den
bergauf führenden Pfad hinauf bis zum Wolfsweg. Dann
ließen wir uns ein wenig rollen, bis wir mit Schußfahrt
[wow] zu Kettners Weiher kommen. Ab dort radeln wir wieder ganz
gemütlich zum Rennweg zurück. Ab und An halten wir an und
bewundern einen besonders bunten Baum oder eine besonders schöne
Lichtung.
Das radfahren macht - wie gewünscht - einen Mordsspaß.
Wir schweben in zwei Metern Höhe mehr oder weniger lautlos (wir
haben beide gute Räder) durch diese farbenfrohe
"Kulisse".
Wir fahren schließlich zu unserem Lieblingsplatz am Rande
einer vom Sturm geschlagenen Lichtung. Wir setzten uns auf das
Waldgras, die Sonne steht schon fast am Horizont. Wir rauchen ein
wenig von dem guten Haschisch. Plötzlich wird alles
gemütlicher und behäbiger. Die Blütenstände
langer Gräser leuchten im Gegenlicht, während sie
andächtig hin und herschwingen. Im Gegenlicht tanzen ein paar
Insekten. Das Licht wird golden und die Farben noch wärmer. Der
Herbst gibt sich noch einmal richtig Mühe uns noch einen letzter
Abglanz des Sommers zu zeigen! Wunderschön!!! Wir sitzen dort
gemütlich noch über eine Stunde im weichen Gras, dann
beschließen wir Richtung Heimat zu fahren.
Nochmal zum Rennweg hoch und dann einen sehr schönen, leicht
abschüßigen, abwechslungreichen Pfad (Lichtungen, dichter
Laubwald, dunkler Tannentobel, lichte Birkenwälder, niedriges
Gestrüpp) zum Schiefer Hauweg, von dort nur noch ein paar
Kilometer und wir stehen wieder auf der Verkehrsinsel [brumm,
quietsch, tröt, roar] und sind erschlagen und schockiert
über diese verdammten Benzinkutschen (guter Gott!!!).
Eine halbe Stunde später bin ich wieder in meiner
künstlichen Wohnhöhle und fange an diesen Brief zu
schreiben...
Welch ein wunderschöner Tag!
P.s. Vorsicht! Auf Pilz sollte man mit dem Fahrrad nicht am
Straßenverkehr teilnehmen (das könnte hart werden)! Sucht
euch eine nette Gegend ohne Straßen für die Dauer der
Wirkung. rR
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